Channa im Supermarkt und Makropoden vor der Haustüre, Vivaristische Eindrücke aus 2 Jahren China

Bilder und Text von Max Kaiser, Seerose Frechen

Als ich Anfang 2021 auf eine Stellenausschreibung für Dozenten an einer Universität in China stieß, musste ich nicht lange nachdenken und habe mich spontan darauf beworben, weil ich, den Masterabschluss in der Tasche und von der Pandemie ermüdet, einfach mal raus aus Deutschland wollte. China war nie mein Traumziel und hat mich trotz Studienfach „Asienwissenschaften“ nie sonderlich gereizt oder interessiert und ich hatte, wie auch mein Umfeld und wahrscheinlich alle Leute hier in Deutschland, so einige Vorbehalte und Vorurteile gegenüber der geheimnisvollen Weltmacht im Reich der Mitte, insbesondere vor dem Hintergrund der von dort ausgegangenen Corona-Pandemie. Ich sollte aber eines Besseren belehrt werden und dieses Abenteuer sollte zur besten Zeit meines Lebens werden, wovon ich hier berichten möchte.

Nachdem alle Formalitäten erledigt waren, ging es am 25. September endlich per Direktflug von Frankfurt nach Shanghai. Zu diesem Zeitpunkt durften pandemiebedingt nur „hochqualifizierte ausländische Fachkräfte“ zu beruflichen Zwecken nach China einreisen und man musste sich neben jede Menge Untersuchungen vor allem auch einer vierwöchigen Quarantäne unterziehen. Diese bestand für mich und meinen Kollegen und besten Freund aus 14 Tagen Quarantäne in Shanghai und weiteren 14 Tagen an unserem eigentlichen Zielort Yantai, in der Provinz Shandong, 650 km nordöstlich. Wir durften das Hotelzimmer in dieser Zeit nicht verlassen und nur drei Mal pro Tag die Tür öffnen, um unsere Essensrationen zu bekommen und für den täglichen Covid-Test per Nasen-und Rachenabstrich. Von Shanghai nach Yantai ging es per Zug, was eine willkommene Abwechslung, aber auch eine ziemliche Herausforderung war, da niemand Englisch konnte und unser Chinesisch sich auf wenige Wörter und Zahlen beschränkte. Im Nachhinein betrachtet hat aber alles gut funktioniert und die Quarantäne war viel weniger schlimm als erwartet.

Für die nächsten fast zwei Jahre sollte ich also hier jungen Chinesinnen und Chinesen, die im Hauptfach Maschinenbau und Umwelttechnik studieren, die deutsche Sprache so weit beibringen, dass sie ihr Studium an der deutschen Partnerhochschule beenden und somit ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt signifikant erhöhen können.

Mein erster Wohn-und Arbeitsort war die 6-Millionen-Stadt Yantai im Norden der halbinselförmigen Provinz Shandong, eine Zugstunde entfernt von der ehemaligen deutschen Kolonie Qingdao (Tsingtau). Hier war mein Kollege und Nachbar auch gleichzeitig mein seit nunmehr 12 Jahren bester Freund aus Uni-Tagen, so dass sich diese Zeit mehr wie ein Urlaub anfühlte.

Da es durch die Pandemie in Yantai kaum Ausländer gab, erlangten wir beiden Neulinge schnell eine gewisse Bekanntheit und unser Status als einzige ausländischen Gäste in diversen Restaurants und Bars brachte uns etliche Freigetränke ein. Wir lebten auf dem Campus, nur 10 Gehminuten vom Meer entfernt, wo ich an der Mündung des Flusses Huangshui schnell die ersten interessanten Naturbeobachtungen in Form von Vögeln, Fischen und Krabben machte. Insgesamt ist die ganze Gegend sehr waldig und von Bergen geprägt (Name der Provinz Shandong=östliche Berge). Ein Highlight für mich war die Entdeckung des großen „Flowers and Birds Market“, wo man von Hamstern und Wellensittichen über allerhand Zierfische bis hin zu Schnappschildkröten und Flughörnchen fast alles kaufen konnte, so dass in meiner Wohnung bald die ersten Aquarien standen, ein ungenutztes Zimmer zur Voliere für Wellensittiche, Zebrafinken und Zwergwachteln umfunktioniert wurde und ich auf diesem Markt schon bald als „der deutsche Lehrer, der Kampffische mag“ bekannt war und einige Bekanntschaften schloss, durch die ich auch sehr schnell Chinesisch, insbesondere die „aquaristische Fachsprache“ lernte.

Um nur mal ein Beispiel zu nennen, wildfarbene Neocaridina-Garnelen wurden hier als Lebendfutter KG-Weise verkauft und man bekam die schönsten Zuchtformen von Guppies oder Makropoden für vergleichsweise günstige Preise. Letztere haben in China den Status wie Betta splendens in Thailand, so dass es hier viele für mich neue Zuchtformen von ganz weiß bis ganz schwarz, zu bestaunen gab. Wildformen, eigentlich ja mein Spezialgebiet, hingegen konnte man nur sehr teuer (Beispiel 1.1 Betta imbellis umgerechnet 120€) auf dem chinesischen Amazon-Pendant TaoBao bekommen, so dass ich mich hauptsächlich mit Guppies beschäftigte.

Da meine Kollegin 700 km weiter südlich an unserer zweiten Partner-Universität in Changzhou, Provinz Jiangsu, im Laufe der Zeit meine Freundin geworden war, wechselte ich im Juli 2022 dorthin, 200 km westlich von Shanghai. Hier, südlich des Jangtse, herrscht ein subtropisches Klima, so dass die Flora und Fauna hier für mich noch interessanter waren.

So konnte ich beispielsweise in diversen Parks allerhand für mich exotische Vögel, Reptilien und Amphibien beobachten oder quasi direkt vor der Haustür, im See auf dem Campus, neben verschiedenen Channas und Macropudus ocellatus und opercularis auch verwilderte Guppies, Platies und Gambusia affinis fangen. Auch hier fand ich schnell den entsprechenden Markt und besuchte ihn beinahe täglich mit meinem 60km/h Elektro-Moped, das ich inzwischen hatte und schloss schnell Freundschaften. Eine besonders schöne Anekdote erlebte ich hier, als ich auf TaoBao eine Gruppe 1.2 Pastellgrundeln, in China eine Rarität und nur online zu bekommen, erwarb und der Verkäufer zufällig auch aus meiner Stadt und sogar meinem Stadtviertel kam.

Mit ihm und seinem Kumpel, der auf Wildbettas, Killis und Apistogrammas spezialisiert war, entwickelte sich schnell eine Freundschaft. Von meinem ungeplanten und kurzfristigen Heimatbesuch im Februar 2023, bei dem ich leider meine Freundin für ihre Krebsbehandlungen nach Deutschland bringen musste, brachte ich den beiden je 1.1 Aphyosemion australe (Kap Lopez) mit und sie konnten gar nicht glauben, dass diese Art in Deutschland überall recht günstig erhältlich ist.

In China kannten sie diese Art nur von Fotos und waren überzeugt davon, diese jetzt als erste im Land zu haben, was ich nicht überprüfen kann. Sie haben sie nachgezogen und sind mächtig stolz darauf. An der Stelle ganz liebe Grüße an meine beiden chinesischen Fisch-Freunde Wen Yangxian und Gao Hanchen!

Insgesamt kann ich als Fazit sagen, dass es die beste Entscheidung meines Lebens war, damals diese Möglichkeit zu nutzen und mich auf das Abenteuer China einzulassen. Land und Leute haben mich durchweg positiv überrascht und freundlich aufgenommen und ich hatte dort ein sehr gutes Leben und einen Lebensstandard, den ich mir hier in Deutschland wohl nur leisten könnte, wenn ich doch irgendwann mal bei „Wer wird Millionär“ erfolgreich wäre.

Touristische Individualreisen nach China sind aufgrund der Bürokratie, der Sprachbarriere und der Tatsache, dass hier das ganze Leben nur mit chinesischen Apps funktioniert zwar immer noch schwierig, aber immerhin kann man mit deutschem Pass nun seit dem 1. Dezember für maximal 15 Tage visumfrei einreisen. Vielleicht wird es ja insgesamt auch leichter. Lohnen tut es sich auf jeden Fall! Und wer weiß, vielleicht kann ich wieder nach China zurückkehren, wie es momentan mein Wunsch ist und dann länger dort bleiben und die Regionalgruppe China gründen 😉 Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich ein erfolgreiches Jahr 2024

Chinesische Nachtigall im Sheshan Park ShanghaiChinesische Nachtigall im Sheshan Park Shanghai.

Fundort von Macropodus ocellatusFundort von Macropodus ocellatus.

Mein erstes Aquarium in ChinaMein erstes Aquarium in China.

Guppies fangen mit meinem chinesischen NeffenGuppies fangen mit meinem chinesischen Neffen.

Nachtreiher auf dem Campus See in ChangzhuoNachtreiher auf dem Campus See in Changzhuo.

Deutsch unterrichten auf chinesischDeutsch unterrichten auf chinesisch.

Panda in NanjingPanda in Nanjing.

Panorama von YantaiPanorama von Yantai.

Sonnenuntergang über Shanghai Pudong mit Oriental Pearl TowerSonnenuntergang über Shanghai Pudong mit Oriental Pearl Tower.

Schildkröten in Qingfeng Park ChangzhouSchildkröten in Qingfeng Park Changzhou.

Hongmei Park Changzhou mit dem Wahrzeichen Tianning PagodeHongmei Park Changzhou mit dem Wahrzeichen Tianning Pagode.

Walhai im Yantai AquariumWalhai im Yantai Aquarium.

Wildguppy aus dem Campus See meiner Uni in ChangzhouWildguppy aus dem Campus See meiner Uni in Changzhou.

Wellensittiche in meiner WohnungWellensittiche in meiner Wohnung.

Goldfischmarkt von WuxiGoldfischmarkt von Wuxi.

Cobitis sinenis, Yantai FushanCobitis sinenis, Yantai Fushan.